Wednesday, October 10, 2012

Sendung 20 - Oktober 2012

Archivmusik, die Zweite: In der Oktober-Ausgabe von DITC präsentiert euch Caballo noch einmal rare Archivmusik. Ihr hört also Tracks, die zwischen 1965 und 1985 für Werbespots und Rundfunkbeiträge verwendet wurden. Stilistisch erwarten euch trockenen Funk, smoothen Jazz, Rap und Moog-Gedudel aus den 70ern. Gesampelt wurden die Songs unter anderem von Marc Hype, Madlib und Danger Mouse. Außerdem berichtet Richard Parks im Interview von "Music Man Murray", dem Mann mit der größten Plattensammlung der Welt!


Der Film  Music Man Murray ist dieses Jahr erschienen. Richard Parks portraitiert in seiner Kurzdoku den 90-jährigen Murray Gershins, der vor 50 Jahren das erste Second-Hand-Plattengeschäft in Los Angeles eröffnete. Seine Privatsammlung gilt mit 500.000 Tonträgern als die größte weltweit.
Die Website zu seinem Laden findet ihr hier!
Weitere Infos zu dem Film von Richard gibt es auf der offiziellen Homepage. Kontakt könnt ihr mit ihm über seine Facebook-Seite aufnehmen.


1) Peter Reno - Contact
(Synthesiser Contact, Music De Wolfe, 1973)

Music De Wolfe nimmt in der Archivmusik eine Sonderstellung ein. Es wurde 1909 in London gegründet und ist somit das mit Abstand älteste Library-Label der Musikgeschichte. Zu dieser Zeit bestand eine musikalische Vorproduktion noch darin, Musik für Stummfilme zu entwickeln und die entsprechenden Themen auf Notenblättern zu drucken. Wenn Musiker für Filmvorführungen auf diese Musik zurückgreifen wollten, konnten sie die Noten dann in sogenannten Kinematheken erwerben. Production-music auf Vinyl entwickelte sich erst in den 60er Jahren und wurde anfangs noch auf 10"-Platten vertrieben. Auch hier war das Label Music De Wolfe Vorreiter.
Die LP "Synthesiser Contact" von Peter Reno ist ein selbst von Sammlern kaum beachtetes Album, dass jedoch durchweg mit dicken Synthie-Lines und Funk-Breaks überzeugt.

2) Arawak - Accadde a Bali
(Accadde a..., Squirrell, 1970)

Dieses kleine Library-Label aus Italien hatte zwar keinen großen Output, dafür sind die LP's aber vom ersten bis zum letzten Song hörbar (das ist keine Selbstverständlichkeit bei Library-Scheiben). Das Konzept dieses Albums ist eine musikalische Weltreise in der Städte wie Belfast, Lima oder Las Vegas vertont werden.
"Accadde a Bali" ist HipHop-Fans dank Madlib bekannt, der den Song auf seiner Klassiker-LP "Quasimoto - The Unseen" gesampelt hat. Für "Real Eyes" behält er die Original-Struktur bei und loopt die Musik auf minimalistische Weise.
3) Rogerio Duprat - Percussion Highway
(The Brazilian Suite, KPM, 1970)

Duprat wurde in Rio de Janeiro geboren und entwickelte früh ein Interesse an der Avant-Garde. Das brachte ihn schließlich nach Europa, wo er unter Karlheinz Stockhausen und Pierre Boulez studierte. Nachdem er nach Brasilien zurückkehrte, komponierte er vor allen Dingen Filmmusik und arbeitete mit berühmten Landesgenossen wie Gilberto Gil zusammen.
Das Label KPM beauftragte Duprat Ende der 60er ein Library-Album aufzunehmen mit exotischen Klängen. Von den Experimenten der Neuen Musik ist darauf allerdings nicht mehr viel übrig geblieben.

4) James Clarke - Two Lanes Blacktop
(Friendly Faces, KPM, 1973)

Auf dem Album "Friendly Faces" teilen sich Komponist James Clarke und Alan Hawkshaw die zwei Plattenseiten untereinander auf. Songs wie "Two Lanes Blacktop" zeigen, dass Clarke verglichen mit seinem Kollegen Hawkshaw ruhigere Klänge anschlägt.

5) Brian Bennett - Name of the Game
(Hot Wax, KPM, 1976)

Bennett ist ein musikalischer Tausensasser: Er ist Pianist, Komponist, Arrangeur, produzent und spielte bei The Shadows Schalgzeug. Er selber sagt noch  heute, dass er nicht sonderlich überrascht war, als er vom Manager der Shadows gebeten wurde, Mitglied der Band zu werden. Seine Freude hielt sich ebenso in Grenzen, nicht des Spielens wegen, sondern weil ihm das Touren nicht behagte. Da war es naheliegend sich einen ruhigen Studio-Job zu suchen und so begann er Anfang der 60er mit dem Komponieren von Archiv-Musik. Die meisten seiner Aufnahmen entstanden für KPM.
Kurze Sample-Info: Verwendung fand der Track auf Ugly Duckling's LP "Meat Shake" und auf dem von Amdlib produzierten Track "Who with me?" von Percee P.

6) Thomas Elerth - Beatin' it
(Hair Raisers, JW Theme Music, 1972)

Das Label JW Theme Music begann erst 1972 Archivmusik zu veröffentlichen und war nach einem Namenswechsel zu JW Music Library bis 1987 aktiv. Auch wenn der Output im Vergleich zu Konkurrenz-Labeln wie KPM oder Bruton gering blieb, sind die Platten bei Sammlern doch heiß begehrt. Songs wie "Beatin' it" machen klar wieso: Funky Grooves und trockene Drumbreaks sind auf beinhae jeder LP zu finden.

7) Richard Demaria - Next Episode
(À Écouter, Chappell, 1970)

Die Pulsfrequenz von Sample-nerds wird beim Hören dieses Tracks sicher rasant steigen. Richard Demarias "Next Episode" diente nämlich niemand geringerem als dem britischen Star-Produzenten Danger Mouse als Vorlage für "Aqua Teen Hunger Force". Dieser von der gleichnamigen Cartoon-Serie inspirierte Titel befindet sich auf seinem Kollabo-Album mit Maskenträger MF Doom. 

8) Guiliano Sorgini - The Turf
(Musica Da Ballo, Meridiana, 1969)

Zu dieser Platte habe ich leider keine näheren Infos, genauso wie zum Komponisten Guiliano Sorgini. Das Label Maridiana aus Italien hat bloß eine handvoll Scheiben releast, darunter "Musica Da Ballo", die im Internet für knapp 100€ verkauft wird. Wobei diese Angabe sehr schwammig ist, denn sie taucht praktisch nie auf. Das lässt den Schluss zu, dass nur wenige überhaupt von der Existenz dieser LP wissen, denn sonst würden bei einem so hohen Seltenheitswert weitaus höhere Preise erzielt. Eine andere Archiv-Platte von Sorgini gilt bei Sammlern dagegen als heiliger Gral. Es handelt sich um "Under Pompelmo", eine der wertvollsten Alben aus Italien - ihr Marktwert liegt bei 700$!

9) Sam Spence - Sunken Ship
(The Art of the Synthesizer, Music De Wolfe, 1972)

 Nicht ohne Grund steht das Label Music De Wolfe bei Sammlern von Archivmusik ganz hoch im Kurs. Es hebt sich von der Konkurrenz dadurch ab, dass sie nicht wahllos zusammengestellte Tracks enthalten, sondern immer ein bestimmtes Thema bearbeiten oder über das ganze Album ähnliche Arrangements gespielt werden. So lässt sich eine Platte bequem durchhören ohne zu merken, dass es sich nicht um ein reguläres Album, sondern eine Library-LP handelt.
Im Falle von "The Art of the Synthesizer" mag das etwas anders sein. Zwar zieht sich hier über die gesamte Länge der LP ein roter Faden in Form des mächtigen Moog Synthesizers, aber ein konventionelles Album, dass man gemütlich auf dem Sofa hört, ist es sicher für die wenigsten.

10) Homeboy Sandman - Soap
(Subject: Matter EP, Stones Throw, 2012)

Bei diesem Release aus dem Frühjahr 2012 handelt es sich um die erste Scheibe des Rap-Hoffnungsträgers Homeboy Sandman auf Stones Throw Records. Als bekennender Avantgardist schiebt Homeboy Sandman gerne Unzugänglich- vor Radiotauglichkeit und auf "Soap" macht er da keine Ausnahme. Denn wenn der ehemalige Jurastudent mal wieder das Wörterbuch auf den Kopf stellt und die Finger der Hobbyanalytiker auf den Rewind-Tasten kleben, bis die innere Übersetzungsmaschine auch den letzten Gedankensprung dekodiert hat, sind da immer noch diese unfassbaren Pattern.
Hinzu kommt seine Leidenschaft für rohe Beats, die oft nur aus einem grob geloopten Sample bestehen. Mehr braucht Homeboy Sandman nicht um uns mit seinen Gehirngespinsten zu fesseln.

11) Mattino Di Fuoco - Dom Boga
(???, ???. 196?)

Infos zu diesem Titel nehme ich gerne entgegen. "Dom Boga" ist der erste richtige Geistersong, den ich in meiner Sendung spiele. Und damit meine ich nicht, dass er aus einem Gruselfilm stammt, sondern das ich dazu absolut keine Infos habe. Da er auch auf der Compilation "Phase 6 Super Stereo" zu finden ist, wird es sich um Musik aus Italien handeln.

12) Roger Roger - Safari Park
(Mindbender - Stringtronics, Peer International, 1972)

Madlib-Sample Nummer Drei. Wieder handelt es sich um ein Sample für Quasimoto ("The further Adventures of Lord Quas", Titel "Raw Addict pt. 2") und wieder hat sich Herr Otis Jackson Jr. das Alias Loopdigger verdient. Denn außer einer sehr ausgedehnten Schleife hat der Produzent aus Oxnard kaum Hand angelegt.
Gesampelt hat er von einer der begehrtesten Library-Platten überhaupt. "Stringtronics - Mindbender" wechselt bei Ebay meist für Preise um die 900 Dollar den Besitzer. Der Grund hierfür liegt sicher in den ungewöhnlichen Arrangments: Alle Songs sind nämlich für Saiteninstrumente komponiert und so hört man - von einigen Percussions zur rhythmischen Untermalung abgesehen - ausschließlich Klangkombinationen von Geigen, Celli, Gitarren, Bässen und sonstigen Chordophonen.

13) James Asher - Robottom
(Gyroscope, Bruton, 1980)

Bruton Music ist ein britisches Label für Production Music, das von Ende der 70er bis Mitte der
80er Jahre viele Library-Platten veröffentlicht hat. Mitlerweile wurde es wie viele andere Labels von Universal aufgekauft und gehört dem Zusammenschluss Production Music Online UK an, indem über 70.000 Musiktitel verwaltet werden. Darunter befindet sich auch Musik des britischen Komponisten John Scott, der seit Beginn des Library-"Booms" Anfang der 60er Jahre für diverse Musik-Verlage wie Bruton oder KPM geschrieben hat.

14)  Franco Tamponi - Crisi Dell'industria
(Un Volto Una Storia, Flower Lew, 1972)

Lange habe ich nach dem Song gesucht, den DJ Hype für den Remix seines Trracks mit Mr. Lif "Pull Out Your Cut" verwendet hat. Schließlich wurde ich auf der Compilation "Vroommm - Funk Cinematique" fündig. Auf ihr finden sich viele rare Library-Tunes, die von den Betreibern des Labels Platic ausgegraben wurden.


15) The Denny Motion Group - Easy Driving

(Small Talk, Coloursound, 1981)

Diese LP erschien bei dem Coloursound aus München. Im Gegensatz zu KPM, Bruton oder Music De Wolfe, sind mir hier keine Funk-Kracher bekannt. "Small Talk" beweist aber, dass auch auf Coloursound interessante Scheiben herausgekommen sind. Die Klappentext alleine rechtfertigt den Kauf schon mit diesem bis zur Lächerlichkeit übertriebenen Werbetext: "DENNY MOTION entführt Sie in ein beschwingtes und modernes "Guitar-Land". Lassen Sie Ihrer Phantasie freien Lauf und begleiten Sie ihn auf fröhlichen Parties, auf Fahrten durch die schöne Landschaft und bei Ausflügen in die Romantik, weit weg vom grauen Alltag". Herrlich.
 
16) Peter Hamilton - Obsessively
(Musica Di Commento, Vedette, 1965)

Peter Hamilton's bekannteste Arbeit ist wohl der Soundtrack zu "Love Story", den er nach Vorgaben des Komponisten Francais Lai orchestriert hat. Ansonsten ist nicht allzu viel über den Italiener zu erfahren im Netz. 

17) Narassa - Macero
(???, ???, 1974)

Bei diesem Song handelt es sich um ein sehr rares Stück. Gefunden habe ich es auf einer der ersten Library-Compilations, dem großartigen Sampler "Speedball Experience - Obscure Pop Jazz from early 70's Italian Music Library". Sie erschien Mitte der 90er als inoffizielle Pressung über Editions Giaguaro. Auf ihr findet ihr viele italienische Perlen der Production-Music. Es ist die einzige Complilation mit Re-Releases, die selbst schon eine Rarität ist. Im Internet wurde sie schon für weit mehr als 100$ verkauft.


Wenn ihr noch mehr Library-Musik hören möchtet, dann schaut im Sendearchiv nach der Juni-Ausgabe 2011 und der September Ausgabe 2012. Da hatte ich bereits 60 Minuten Production-Music im Programm.