Friday, March 2, 2012

Sendung 13 - März '12

Auf der Suche nach raren Scheiben führt Caballos Weg diesen Monat in den Sunshine State der USA: Kalifornien. Auf seiner Route hat er für euch kaum bekannte Privatpressungen und verschollene 45's aus den letzten 50 Jahren ausgegraben. Das Genrespektrum umfasst neben Psychedelic und Surfmusik, auch Rap, Musik von der "neuen Beatgeneration" und Funk.


1) Matthew Larkin Cassell - Heaven

(Pieces, Privat, 1977)

Cassell ist ein Songwriter, Vokalist und Multi-Instrumentalist aus Nordkalifornien. Seine Kompositionen mischen Elemente aus Jazz, R'n'B, Fusion and Pop. Die privatgepressten LP's, die er aufnahm, erreichten teilweise einen Verkaufswert von ueber 1700$. Aufgrund der gewachsenen Aufmerksamkeit an seinen Scheiben in den letzten Jahren, nahm das Label Stones Throw Records den Musiker unter Vertrag und veröffentlichte 2010 sämtlichte Aufnahmen.

2) The Electric Prunes - The Adoration
(Release of an Oath, Reprise, 1968)

Die Mitglieder der Electric Prunes fanden sich in San Fernando Valley, Los Angeles. Sie starteten ihre Karriere mit Psychedelic-Singles, die sie an lokale Radiostationen verschickten. Es dauerte nicht lange, bis das Label RCA auf die Gruppe aufmerksam wurde, die zu diesem Zeitpunkt schon einige Hits in der Region landen konnte. Nach Charterfolgen in den USA und England, stellte Prunes-Manager Lenny Poncher Kontakt zum Arrangeur und Komponisten David Axelrod her. Axelrod schrieb jedoch Stücke, die technisch so anspruchsvoll waren, dass die Garagen-Band während der Produktionsphase von "Mass in F-Minor" aufgab und die kanadische Gruppe the Collectors die Aufnahmen vervollständigten. Für das zweite gemeinsame Album "Release of an Oath" engagierte Axelrod darum Top-Studiomusiker aus Los Angeles und liess die Electric Prunes lediglich den Gesang aufnehmen.

3) Enrique Olivarez - Arriba Tipo
(Para Ti, Discos Vampiros, 1972)

Eine der berüchtigsten Latin Bands aus Kalifornien sind Los Vampiros, unter Leitung von Enrique Olivarez. In der Region um Stockton und Oakland brachte die Band während der 70er das gemeine Tanzvolk mit ihren Uptempo-Cumbias zum Schwitzen. "Arriba Tipo" ist ein gutes Beispiel hierfür. Der Titel befindet sich auf ihrem ersten Album "Para Ti", dass Olivarez ueber sein selbstgegründetes Label Discos Vampiros releast hat.

4) Gaslamp Killer - Baiafro
(My troubled Mind, Brainfeeder, 2009)

Er ist einer der gefragtesten DJ's der letzten Jahre. Gaslamp Killer, bürgerlich William Benjamin Bensussen, spielt in seinen DJ-Sets saemtliche Stile und mixt sie wild durcheinander: IDM von Aphex Twins folgen rare Afro-Beat-LP's, um dann in raren Jazz aus Japan überzugehen. Die Wünsche seines Publikums werden nur selten berücksichtigt. Getreu dem Motto: A DJ is no Jukebox.
So erhielt er schliesslich seinen Namen, als er tanzbeinschwingende Hipster im Gaslamp District San Diego"s, dem Studentenviertel der Stadt, so sehr terrorisierte, dass sie den Club verliessen.

5) PJ & The Galaxies - B-Side
(Tally Ho B-Seite, PM Records, 1964)

Bei dieser B-Seite handelt es sich um einen Surf-Tune, der unter dem Namen "The Shimmy" bereits 1962 von The Belairs recorded wurde. Diese Version wurde jedoch nie releast. Der Leadgitarrist und Produzent Paul Johnson (PJ), der beide Versionen aufnahm, schrieb mir zu diesem raren Stück Surf-Geschichte:
"There is some confusion and controversy about the true origins of this tune. In late 1962, the Belairs went through a personnel change, and in the process we took on a bass player named Steve Lotto, who had just arrived in California from the east coast. He introduced “The Shimmy” to us as an original tune of his own. We accepted this at face value, and thus he is credited as the writer on both of these early recordings. In recent years, however, it has been called to my attention (though I regret that I cannot cite the source or particulars) that there was an earlier record, popular on the east coast, which had a different title but otherwise much in common with the tune that Lotto brought to us as “The Shimmy.”"
6) Frank Zappa - What's the ugliest part of your body
(We're only in it for the money, Verve, 1967)

Das Album „Freak Out!“ von Frank Zappa und seinen Mother’s of Invention gilt als das erste Konzeptalbum der Popgeschichte und karikiert die kalifornische Hippie-Szene, sowie die Beatmusik der 60er Jahre. Ihr drittes Album "We're only in it for the Money" steht dem in Nichts nach, wie schon das Cover der LP deutlich macht: Eine Parodie des legendären The Beatles-Albums St. Pepper's Lonely Hearts Club Band.
Der Hang zur Satire war ein wichtiges Merkmal von Zappa’s Musik, dem er bis zu seinem Tod 1993 treu geblieben ist.




7) Frank Zappa - Peaches en regligalia
(Hot Rats, Reprise, 1969)

In den späten 60ern vollzog Zappa einen großen Wandel in seiner Musik und trennte sich von seiner Band The Mothers of Invention. Zu diesem Zeitpunkt hatte er jedem der zehn Bandmitglieder 200$ pro Woche als Vorschuss auf erwartete Einnahmen durch Auftritte und Plattenverträge gezahlt und hatte dazu 10.000$ Schulden gemacht. In einem Interview führte Zappa später auch musikalische Gründe für die Trennung von den Bandmitgliedern an: Er sei frustriert vom Publikum gewesen, das kein Interesse an anspruchsvollerer Musik hätte und gleichzeitig seien die Musiker der Mothers nicht in der Lage gewesen, die von ihm geschriebene anspruchsvollere Musik jenseits der Rockmusik adäquat umzusetzen. Dementsprechend versammelte Zappa virtuose Musiker wie George Duke um sich, um das Album "Hot Rats" aufzunehmen. Viele von ihnen hatten einen Jazz-Hintergrund und so klingt die LP auch nach einer frühen Fusion aus Jazz und Rock.

8) Captain Beefheart - Abba Zaba
(Safe as milk, Buddah, 1967)

Stundenlange Listening-Sessions mit Frank Zappa haben bei Donald Vliet aka Captain Beefheart bleibende Spuren hinterlassen. Die Musik des Saengers mit den Lysergsäure-getraenkten Stimmenbändern zeigt deutlich seine Liebe zu Blues und Rock. Im Jahr 1969 erschien das von Frank Zappa produzierte Album Trout Mask Replica (deutsch: „Forellenmasken-Nachbildung“). Es gilt bei vielen Kritikern als ein Meilenstein der Rockgeschichte und als das beste Album von Captain Beefheart & his Magic Band.
Auf diesem musikalisch radikalen Album ist der Einfluss von Free Jazz stärker als auf den Vorgängern. Ich möchte den Fokus aber auf das erste Album richten, dass hauefig von den Nachfolgern überschattet wird. Beefheart selbst behauptete übrigens, gar keine Einflüsse zu haben.

9) Freestyle Fellowship - Innercity boundaries
(Innercity Griots, 4th & Broadway, 1993)

Die Gruppe Freestyle Fellowship formte sich Anfang der 90er im Good Life Café, einem Treffpunkt für junge Dichter und Performer in Los Angeles.
Die Mitglieder Aceyalone, Mikah 9, P.E.A.C.E. und Self Jupiter repräsentierten von Anfang an den Underground und entwarfen ein Gegenkonzept zum populären Westcoast-Rap. Statt über Alkohol, Waffen und Sex zu rappen, fokussierten sie sich auf sozialkritische und afro-amerikanische ThemenLyrics, die sie auf jazzigen Beats aufnahmen. Die LP "Innercity Griots" gehört zu einem der einflussreichsten Veröffentlichungen des Underground Hip-Hop. Die Distribution ihrer Musik war zu diesem Zeitpunkt ebenso unkonventionell. Die Künstler produzierten viele ihrer Tapes und Platten selber und verkauften sie direkt aus dem Kofferraum an die Plattenläden oder direkt an die Fans und hatten so wenig wie möglich mit der Musikindustrie zu tun.

10) Marvin Holmes - Ooh Ooh The Dragon
(Single, UNI, 1969)

Marvin Holmes ist ein Soul- und Funkmusiker aus Oakloand. Der um 1970 herum eine Handvoll Releases heraus gebracht hat. Zusammen mit einigen talentierten Studiomusikern aus der Region, die ihm als The Uptights den Rücken stärkten, releaste er 1969 die Single "Ooh ooh the dragon" die für das Label Uni, am Sunset Boulevard (Hollywood) aufnahm.

11) The Zodiac - Taurus The Voluptuary
(Cosmic Sounds, Elektra, 1967)

Die LP "The Zodiac - Cosmic Sounds" war die erste Veröffentlichung auf einem Major-Label für die der Moog-Synthesizer veröffentlicht wurde. Die damals revolutionären Klänge stellten eine Herausforderung an die Hörgewöhnheiten des Publikums dar. Zusammen mit den psychedelischen Monologen der Songs, war ein kommerzieller Erfolg beinahe unmöglich. Dabei war für die Umsetzung des Projektes niemand geringeres als Jac Holzman verantwortlich, der im selben Jahr The Doors unter Vertrag nahm und mir ihrem ersten Album Rockgeschichte schrieb.


12) Tom Waits - Singapore
(Rain Dogs, Island, 1985)

In einer Kritik von Waits' letztem Album "Bad as me" habe ich gelesen, er sei "mad famous for being unknown". Tatsächlich ist Tom Waits vielen Hörern mit ganz unterschiedlichen musikalischen Vorlieben ein Begriff, was sich auf seinen Konzerten in Form eines generationsübergreifenden Publikums bemerkbar macht. Trotzdem ist der Songwriter aus Pomona nie so richtig im Mainstream angekommen. Stattdessen bewegt sich Tom Waits in künstlerischen Gefilden, in die sich die meisten seiner Berufsgenossen nie wagen würden. Ob Theatermusik, Auftritte in diversen Filmen oder Gedichte - Berührungsängste hatte der exzentrische Trunkenbold mit der rauhen Stimme nie.

13) The California Playboys - Someone new
(Trying to become a millionaire, Loadstone, 1976)

Das Album der California Playboys ist eine der besten privatgepressten Soul-LP's überhaupt. Northern Soul war zum Zeitpunkt des Releases zwar schon seit 10 Jahren out, trotzdem scheint es die Musik nie wirklich an der Westküste erfolgreich gewesen zu sein. Das die durchaus talentierten Musiker und Sänger der Gruppe auf dem kleinen Label Loadstone releasten bestätigt diesen Eindruck. Ein rares Stück Soul-Geschichte!

14) Flying Lotus - Massage Situation
(Reset EP, Warp, 2007)

Steven Ellison aka Flying Lotus hat die Musik im Blut: Seine Großtante Alice Coltrane war zum Beispiel mit niemand geringerem liiert als dem großen Jazz-Saxophonisten John Coltrane. Ähnlich unorthodox wie Coltrane's Instrumentalspiel in den 60er Jahren ist die Musik seines Großneffens, der seine Karriere mit Hintergrundmusik für den Cartoonsender Adult Swim startete. In 2006 veröffentlichte der aus Winnetka stammende Produzent sein erstes Album, auf welchem er Samples aus verschiedenen Dekaden und Stilen mit elektronischen Klängen verquirlte. Der Sound, den er mit dieser Fusion kreierte, ist bei heute einzigartig und mir ist kein anderer HipHop-Produzent bekannt, dem es gelungen ist die Sample-Tradition auf so unkonventionelle weise ins 21. Jahrhundert zu überführen.

15) The Residents - Santa Dog
(Single, Ralph Records, 1972)

Um The Residents ranken sich zahlreiche Mythen. Die Gruppe versteht sich seit ihrer Gründung in den 60er Jahren ausgezeichnet darauf Gerüchte zu streuen und durch unklare Angaben in Interviews oder auf Platten Verwirrung zu stiften. So haben sie es geschafft, seit den 70ern bis heute kontinuierlich Alben zu veröffentlichten und jährlich neue Zuhörer zu gewinnen. Bis heute weiß niemand, wer sich hinter den vier überdimensionalen Augäpfeln verbirgt, mit denen die gruppe bei Aufritten die Bühne entert. Allerdings wird vermutet, dass es sich mitlerweile nicht mehr um die Original-Besetzung handelt. Manche Fans vermuten sogar, dass es sich bei den Gründungsmitgliedern um die Beatles handelt, die unter dem Pseudonym The Residents ein avantgardistisches Musikprojekt starten wollten.

16) The Seeds - Just let go
(Web of Sounds, Crescendo, 1966)

Auf die Gruppe The Seeds bin ich ersmals durch Gaslamp Killer aufmerksam geworden.
Er hat den Song "Just let go" in einem seiner Sets gespielt. Nach einer schwierigen Suche nach den Interpreten stieß ich schließlich auf die LP "Web of Sound", die gespickt ist mit Beat-lastigen Grooves und Psychedelic von der Westküste.
Für Fans von fuzzy Gitarren und analogen Audioeffekten ist die Scheibe genau richtig.



17) Joe Pass & Carole Kaye - Slick Cat

(Better Days, Gwyn, 1971)

Carol Kaye ist eine der umtriebigsten und gefragtesten Studiomusikern überhaupt. In ihrer 55-jährigen Profikarriere hat sie in über 10.000 Recording-Sessions gepsielt. Unter anderem hat sie für das legendäre "Pet Sounds"-Album der Beach Boys Gitarre eingespielt, oder für Hits von Simon & Garfunkel, sowie für Soundtracks von Quincy Jones. Es gibt wahrscheinlich so gut wie keinen Profi-Musiker in Kalifornien, der nicht schon mit ihr aufgenommen hat. So spielte sie zum Beispiel mit vielen Musikern dieser Ausgabe: Von the Zodiacs, über David Axelrod bishin zu 12-saitigen Gitarren-Stücken mit Frank Zappa. Für "Better Days" hat sie sich mit einem weiteren Gitarristen, dem aus Italien stammenden Joe Pass, zusammen getan.