Wednesday, September 7, 2011

Sendung 07 - September '11

Diese Ausgabe von DITC gibt einen klanglichen Einblick in das französische Kuriositätenkabinett. Ob missglückte Picknicks, Drogenexzessen und Sado-Maso, oder Samurai-Kämpfer und Kafka-Leseschwächen - kein Thema ist in diesem Monat zu bizarr. Musikalisch wird es mit FreakOut-Psychedelic, Filmmusik oder Bossa Nova nicht minder interessant.


1. Ben & The Platano Group - Platano Split
(Paris Soul, Barclay, 1971)

Der Opener dieser Sendung hat es in sich – so wie das gesamte Album von Ben & The Platano Group. Auf „Paris Soul“ findet man keinen schwachen Track, sondern ausschließlich lateinamerikanisch orientierte Uptempo-Kracher. Polyrhythmen, Bläsersalven und hypnotische Bassläufe dominieren den Sound der Band aus Frankreich, die mit dieser LP einen vergessenen Klassiker über Barcley veröffentlichten.

2. Suzanne Gabriello - Z'avez pas lu Kafka
(Single, Barclay, 1966)


Als Nino Ferrer 1965 die Single Mirza veröffentlichte, polarisierte er die französische Musikszene. Während sich ein Teil amüsiert zeigte von dem Lied, auf dem die Suche nach einem entlaufenden Hund besungen wird, klagten andere über fehlendes Niveau und bloße Albernheiten. Suzanne Gabriello nahm diese Diskussion auf und veröffentlichte ein Jahr später die Parodie „Z’avez pas lu Kafka“, bei der sie sich an Nino Ferrer wendet und ihn fragt, ob er schon einmal etwas von Kafka gehört habe.

3. Nino Ferrer - Les Cornichons
("Mirza" B-Seite, Barclay, 1965)


Die B-Seite des Single Mirza, führt fort was der Sänger und Organist mit der A-Seite begonnen hat. Auf „Les Corchnichons“ singt Ferrer von einem bevorstehenden Picknick, für welches er seit Tagen Vorbereitungen getroffen hat. Immer wieder zählt er alle Dinge auf, die er mitnehmen muss und ermahnt sich diese nicht zu vergessen. Als Ferrer schließlich am Ort eintrifft stellt er fest, dass er vor lauter Aufregung alle Lebensmittel in der Küche hat liegen lassen.

4. Résonnance - OK Chicago
(Single, Sircocco, 1973)

Die Aufnahmen für diese Single entstanden während einer der unzähligen Sessions, die der Library-Komponist Mat Camison gemeinsam mit dem Sänger Pierre Bachelet aufnahm. Die dreckigen Funkgrooves in Kombination mit diversen Soundeffekten ergeben das authentische Klangbild einer rasanten Verfolgungsjagd, die direkt aus einem B-Movie der 70er Jahre stammen könnte.

5. Yamasuki - Kono Samurai
(Le monde fabuleux des Yamasuki, Biram, 1971)

Hätte ich keinerlei Angaben zu dieser Platte, so hätte ich sie sicherlich eher in einer Ausgabe zu japanischen, statt zu französischen Raritäten gespielt. Für den japanischen Gesang engagierten die Musiker Daniel Vangarde und Jean Kluger extra einen Schulchor und nahmen Sprachunterricht. Die Verschmelzung asiatischer und europäischer Musiktraditionen führte zu einer Samurai-Konzept-LP, die wie ein psychedelisches Musical klingt.


6. Roland Vincent - LSD Partie

(Delphine EP, Barclay, 1968)

Der Basslauf von „LSD Partie“ zieht jeden Hörer unweigerlich in seinen Bann. Das war 1969 bei Erscheinen des Films Delphine der Fall und hat sich knapp 40 Jahre später nicht geändert. Kein Wunder also, dass Komponist David Holmes den Song für den Blockbuster Oceans Twelve verwendete und ihn so wohl zum ersten Mal seit seiner Entstehung einem breiten Publikum präsentierte.

7. Karl-Heinz Schäfer - Couleurs
(Les gants blancs du diable, Eden Roc, 1970)

Der Thriller "Les gants blancs du Diable" von 1970 zählt zu einem der innovativsten Indepentdent-Streifen des französischen Kinos. Die Musik bewegt sich von Tablas-unterlegtem Jazz und frei schwebenden Sitarklängen und bis hin zu orchestralem Pop und loungigem Funk. Die phantasievollen Grooves, die unsere Sinne für zum Träumen anregen, erinnern an den legendären Score Le Planet Sauvage von Alain Gogaguer. Nicht zuletzt wegen des Soundtracks von Karl-Heinz Schäfer ist "Les gants blancs du Diable" Kult.



8. Edition Speciale - Mister Business (Monsieur Business)
(Allée des tilleuls, United Artists, 1976)

Das Pariser Quartett Edition Speziale formierte sich 1975 um die Sängerin und Keyboarderin Ann Ballester und veröffentlichte ein knappes Jahr später das erste Album „Allés des tilleuls“. Vielleicht handelt es sich bei der Gruppe um die einzige Fusion-Band, die von einer Frau geleitet wurde. Neben Ann Ballester sangen auch Gitarrist Marius Lorenzini, sowie Bassist Josquin Turenne Des Prés. Alle drei Stimmen sind auf dem Song "Mister Business" zu hören.

9. Georges Teperino - Cleopatra
(Strictly Rhythmical / Rhythmical melodies, L'illustration musicale, 197?)


Georges Teperin, a.k.a. Nino Nardini, a.k.a. Peter Bonello, a.k.a. Georges Teperino nahm in Frankreich eine Reihe elektronisch orientierte Library-Platten auf. Bei der Scheibe „Strictly Rhythmical / Rhythmical melodies“, die Teperin gemeinsam mit seinem Musikerkollegen Eddie Warner aufnahm, handelt es sich um eine seiner letzten Archiv-Veröffentlichungen. Ein genaues Erscheinungsjahr ist mir nicht bekannt.

10. Bernard Estardy - Cha tatch cha
(La Formule du Baron, CBS, 1969)


„La formule du Baron“ ist die wohl begehrteste Scheibe der Library-Legende Bernard Estardy. Im Gegensatz zu seinen sonstigen Veröffentlichungen, handelt es sich bei dieser für CBS produzierten LP um ein offizielles, wenn auch wenig beachtetes Album. Auf zwölf Songs zeigt Estardy sein Können als Musiker und Produzent, das nur unzureichend mit Begriffen wie Jazz, Psychedelic oder Pop beschrieben werden kann. Unterstützung erhält er vom Keyboarder Nino Ferrer (siehe oben).

11. Philippe Nicaud - C'ex
(Single, Barclay, 1973)

Die stöhnend-keuchende Antwort Philippe Nicauds auf den erotischen Kult-Hit Je t’aime…moi non plus von Serge Gainsbourg aus dem Jahr 1969 ist geprägt von groovenden Bassläufen auf harten Drumpattern und swingenden Hammond-Orgel-Melodien. Mit seiner letzten Single „C’ex“ führte er fort, was auf der zwei Jahre vorher erschienenen LP „Erotico…Nicaud“ angefangen hat und provozierte so die Kritiker, die ihm fehlendes Niveau und Sexismus vorwarfen.

12. Le Masques - Il faut tenir
(Brasilian Sound, CBS, 1969)

In den späten 50ern entstand in Brasilien ein Musik- und Tanzstil der von Antonio Carlos Jobim und Joao Gilberto geprägt wurde: Bossa Nova. Ein Jahrzehnt später war die Musik auf ihrem Höhepunkt der Popularität, die sich längst nicht mehr nur auf Lateinamerika beschränkte. So ist es vielleicht zu erklären, dass 1968 in Frankreich ein Album entstand, dass ausschließlich dem Bossa gewidmet ist. Auf „Brasilian Sound“ sang die Gruppe Le Masques zudem französische Texte, was jedoch nichts daran änderte, dass diese LP bei Hörern kaum Beachtung fand.

13. Georges De Giafferi - Sado Maso
(Single, Germainal, 1970)

Dieses Duett ist eine der größten Obskuritäten der französischen Pop-Geschichte. Georges De Giafferi und Jean-Yanne besingen ihre zur Folter und Gewalt neigende Liebesbeziehung, in der sie sich zum Beispiel mit brennenden Zigaretten malträtieren oder dazu zwingen pürierte Kakerlaken zu essen. Das Video zur Single ist mindestens so kurios wie das Lied selbst:




14. Misseurs Richard de Bourdeaux et Daniel Beretta - La Drogue
(Single, Barclay, 1970)

Das Duo Misseurs Richard de Bourdeaux & Daniel Beretta waren in der französischen Musikszene wegen ihrer progressiven Themenwahl als Troublemaker und Provokateure bekannt. Ihr Beitrag zum Hippie-Film „Le temps fou“ bestätigt diese Ansicht. Auf Songs wie „La drogue“ singen die zwei Querköpfe von ihren Erfahrungen mit Haschisch und Marihuana. Arrangiert wurden die Lieder von Christian Gaubert, der bereits an Soundtracks von Francis Lai mitgearbeitet hatte.


15. Les maledictus Sound - Jim Clark was driving reckless
(Les Maledictus Sound, AZ, 1968)

Die Gruppe Les Maledictus Sound, die von Jean-Pierre Massiera 1968 gegründet wurde, nahm während ihres Bestehens nur ein Album auf. Diese LP ist dafür jedoch ideenreicher als gesamte Karrieren vieler Rockbands. Ob durchgeknallte Soundeffekte, jazzige Vokalsongs, bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Gitarren, wirre Geräusch-Kollagen oder ruhiger Blues. Auf diesem Album kann alles passieren! Umso erstaunlicher ist es für mich, dass dieses Album trotz des frühen Erscheinungsdatums von nachfolgenden Psychedelic-Gruppen nicht als wichtiger Einfluss genannt wird.



16. Jeanne-Marie Sens - Tape, tape, tape

(Jeu de Mots, Atlantic, 1974)

Die 1937 in Paris geborene Schriftstellerin und Sängerin Jeanne-Marie Sens begann ihre Karriere Anfang der 70er Jahre mit einer Mischung aus Folk und französischem Chanson. Auf „Tape, tape, tape“ kann man zudem noch einen leichten psychedelischen Einfluss erkennen, der den Ruf Jeanne-Marie Sens’ als Phantastin und Melancholikerin unterstreicht.

17. Ben & The Platano Group - Arte pino pasta

(Paris Soul, Barclay, 1971)

"Arte pino pasta" ist der polyrhythmische Abschluss der September-Ausgabe. Ben & The Platano Group zeigen hier wie bereits zu Beginn der Sendung, dass in Frankreich dynamische Musik entstand, wie man sie so fast nur aus Lateinamerika oder Afrika gewohnt ist.